Immer wieder lerne ich Frauen kennen, die ungläubig den Kopf schütteln, wenn sie hören, dass ich vier Kinder habe. „Ich bin mit einem ja schon komplett ausgelastet!“, stöhnen sie dann. „Mein Partner und ich können uns nicht einmal vorstellen, ein zweites zu bekommen! Wie machst du das nur?“ In solchen Situationen zwinkere ich dann verschwörerisch und hole die Packung Tranquilizer und die Flasche Gin aus meiner Handtasche… nein, natürlich nicht. Aber wie mache ich das eigentlich?
Wenn ich mich zurückerinnere, als ich vor 20 Jahren mein erstes Kind bekommen habe: ja, ich war auch überfordert! Nichts und niemand kann dich darauf vorbereiten wie es ist, plötzlich dieses zerbrechliche Wesen im Arm zu halten, das so vollkommen auf dich angewiesen ist, das du mehr liebst als alles andere auf der Welt und das dein bisheriges Leben komplett auf den Kopf stellt. Eltern- Sein ist das wirklich größte, lebenslange Abenteuer überhaupt.
Als dann Sohn Nummer zwei unterwegs war, habe ich immer scherzhaft gesagt: „Ich bin jetzt schon zu 100% ausgelastet, mehr geht eh nicht! Also kann’s nicht ärger werden!“. Da hatte ich mich wohl getäuscht, und zwar gewaltig. Es ging ärger. 100% waren nicht genug. Ich strampelte mich ab zwischen meinen Perfektionsansprüchen als Mutter und der Isolation mit zwei Kleinkindern, von denen das große verlässlich auf dem Klo saß und plärrte „Mamaaa, fertig!“ wenn ich gerade das Baby stillte. Der meist aussichtslose Versuch, ein Stück eigenes Leben für mich zurückzuerobern, bescherte mir phasenweise Herzrasen und Magendrücken.
Was mich damals durch diese intensiven Jahre getragen hat, war neben der Unterstützung von meinem Mann vor allem auch das Zusammensein mit anderen Frauen, denen es genau so ging. Wir waren eine wöchentliche Runde von fast 10 Frauen mit Kleinkindern und begleiteten uns über einen Zeitraum von etwa 3 Jahren. Und während unsere Kids durch die Wohnung und den Garten einer großartigen Freundin tobten (die übrigens eine sehr entspannte Mutter von mittlerweile fünf Kindern ist), therapierten wir Mütter uns gegenseitig.
Es gab meistens Kuchen, oft Prosecco, und immer angeregte Gespräche über Stilleinlagen, Sex und Selleriebrei – Desperate Housewifes Kinderfernsehen dagegen.
Bei aller Anstrengung genoss ich es aber immer aus vollem Herzen, Mutter zu sein. Als Kind Nummer drei, nach zwei Söhnen die erste Tochter, an einem sonnigen Frühlingstag zu Hause im Wohnzimmer geboren wurde, wurde es tatsächlich leichter. Ich war entspannt, sehr sicher in meiner Kompetenz zu spüren, was mein Kind braucht und zweifelte auch nicht daran, diesem Gespür zu folgen.
Mein drittes Kind schenkte mir eine Erkenntnis, die mich bis heute bei der Begleitung meiner Kinder trägt: Kinder brauchen nicht „gezogen“ werden in irgendeine Richtung. Kinder wachsen ganz von allein dem Licht entgegen – also sei die Sonne für dein Kind, liebe es, wertschätze es, hör ihm zu, nimm dir Zeit, sag ihm jeden Tag, wie schön es ist, dass es auf der Welt ist. Erzähl ihm von dir, wie du dich fühlst, was du dir denkst, erklär ihm, dass du manches Verhalten nicht gut findest, aber es trotzdem immer, immer lieb hast. Und dass du eben auch mal Grenzen setzen musst und eine Spaßbremse bist, das ist der Job von uns Eltern. Und lachen! Sich selber nicht so ernst nehmen. Das Leben an sich nicht so ernst nehmen.
Und sofort, und das meine ich ganz ernst, sofort und auf der Stelle aufhören, sich und das Kind mit anderen zu vergleichen. Niemals das eigene Kind als persönliches Projekt betrachten, dessen „Versagen“ (Windel noch mit 3, in der Volksschule gerade mal Durchschnitt, keine besondere Begabung für Sport, Kunst oder Instrumentalmusik) als eigene Kränkung gesehen wird.
Kind Nummer vier, die zweite Tochter, wirbelte dann nochmal einiges durcheinander (also für alle, die überlegen: nein, es ist nicht so, dass das vierte Kind einfach nebenher „mitläuft“!!). Aber ich brauchte 3 Kinder, um dann dieses vierte Kind gelassen ins Leben begleiten zu können- mit ihr kann man mittlerweile tiefsinniger philosophieren als mit vielen 40jährigen.
Kinder sind wunderbar, ich kann und will mir gar kein Leben ohne sie vorstellen. Ich liebe dieses pralle, bunte, laute, verrückte, chaotische, manchmal hektische, oft stressige, fordernde und lustige Biotop, in dem wir alle so viel über uns und das Leben lernen. Denn genau um das geht’s letztlich: miteinander und aneinander zu wachsen und dabei ganz viel Liebe geben und nehmen zu dürfen.
Also, an alle gestressten und in der Überforderung gefangenen Mamas (und Papas) da draußen: Entspannt euch. Ihr macht das großartig. Ihr seid die allerbeste Mama, der allerbeste Papa, die/den euer Kind sich wünschen kann. Hört auf, so streng mit euch selber zu sein. Die perfekten Eltern gibt es nicht. Genießt das Leben mit eurem Kind. Die Zeit vergeht so schnell.
Comments