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  • AutorenbildKatharina Leitgeb

Walpurgisnacht

Kein anderes Fest im Jahreskreis wird so mit Hexen in Verbindung gebracht wie die Walpurgisnacht oder Beltane. Aber warum ist das so?


So wie ich mit meiner Frauengruppe feiern viele Ritualgruppen am Vorabend des 1. Mai die "Walpurgisnacht". Wie kein anderes Fest ist dieses nicht von der grausamen Geschichte der Hexenverfolgung zu lösen. Ich erfahre immer wieder in meinen Frauenkreisen, dass gerade Frauen, die sich nach unkonventionellen Lebenswegen und erotischer Freiheit sehnen, durch das Eintauchen in die Energie der Walpurgisnacht in einer tiefen historischen Wunde berührt werden. Denn noch heute wirkt die Botschaft im Unterbewusstsein von uns Frauen, dass es bei Todesstrafe verboten ist, die eigene Freiheit, Selbstbestimmung, Lust und Magie zu feiern.


Woher kommt das?


Gemäß den Ausprägungen in der Natur spiegelt dieses Fest die üppige, sinnliche, nach Außen schiebende, bunte und überfließende Frühlingskraft wieder.

Es geht um die Themen Fruchtbarkeit und Vereinigung von Weiblich und Männlich, und vermutlich trafen sich zu diesem Fest Männer und Frauen an Kult- und Kraftplätzen, um den Sonnen- und Frühlingsöttern und -göttinnen zu huldigen. Gut vorstellbar, dass es dabei zu ausgelassenen, später immer ekstatischer werdenden Tänzen kam, durch die der Kontakt zur Anderswelt hergestellt wurde und die in erotischen Fruchtbarkeitsritualen endeten…

Lies dazu auch gerne meinen Blog- Artikel über Beltane  (siehe hier:www.katharinaleitgeb.at/post/beltane) 


Diese ausgelassenen Feiern passten so gar nicht ins Konzept der christlichen Kirche, und so ließ man sich schaurige Geschichten einfallen von dunklen Mächten und bösen, magischen Frauen. Die Maifeiern wurden mit abartigen, perversen und gar satanischen Ritualen in Verbindung gebracht. Aus der lustvollen Frau, die ihre heilige Sexualität zelebriert, wurde die böse Hexe, die die Männer zur Sünde verführte und die Männer, die ihnen verfielen, hatten einen schwachen Geist, der den Verführungen dieser Hexen nicht standhielt.


So wurde zuerst als Gegenpol zu den lebensbejahenden Fruchtbarkeitsfesten  der gesamte Mai zum Monat der keuschen, jungfräulichen Gottesmutter Maria erklärt. Als zweiten, geschickten Schachzug, bot man den Menschen dann anstelle der dämonisierten, heidnischen Frühlingsgöttin, eine neue, christlich abgesegnete Heilige an:  Walburga.

Diese soll im 8. Jahrhundert Äbtissin des  Männerklosters (!)Heidenheim, eines wichtigen Missionsstützpunktes,  geworden sein; wenig später kam ein Frauenkloster hinzu. Durch die Leitung dieses mächtigen Doppelklosters wurde Walburga zu einer der bedeutendsten Frauen des christlichen Europas.

Ihre Heiligsprechung erfolgte praktischerweise am 1. Mai 870 – so war zwar ein gewisser Schutz gewährleistet, weil sich die AnhängerInnen der alten Bräuche bei ihren Feiern um diese Zeit auf die Heilige Walburg berufen konnten, andererseits aber geriet dadurch die alte heidnische Göttin immer mehr in Vergessenheit ….


Die Hl. Walburga gilt laut ökumenischen Heiligenlexikon als Schutzpatronin der der Wöchnerinnen, Seeleute, Bauern und Haustiere und wir auch angerufen für das Gedeihen der Feldfrüchte; gegen Hungersnot und Missernte, Hundebiss, Tollwut, Pest, Seuchen, Husten, Augenleiden und Sturm.


Doch warum gerade Walburga?


Der Name „Walburga“ ist eindeutig germanischer Herkunft  - Waluburg, Walburg. Bereits  im 2. Jahrhundert nach Christi wird auf griechischen Tonscherben eine "Waluburg Semnoni Sibylla" erwähnt, übersetzt "Waluburg, die Seherin der Semnonen".

Der Wortstamm Vala (= ahd. walawa, wala) wiederum  ist Bezeichnung für die germanischen Zauberinnen oder Seherinnen, auch „Völva“ -  die Nordgermanische "Allwissende". Walaruna wiederum ist ein Eigenname und heißt "die Seherin, die die Geheimnisse kennt". Und auch die Walküren aus dem Gefolge des Göttervaters Odin (Wodan) die ja auch das "Wala" in ihrer ersten Silbe haben, erinnern mit ihrem Walkürenritt sehr stark an die Hexen mit ihrem Hexenritt zur Walpurgisnacht auf den Blocksberg.


Wobei wir nun zur Bezeichnung „Walpurgisnacht“ kommen


Walburga ist nun zwar die Namensgeberin für die Walpurgisnacht, wie wir nun mittlerweile wissen jedoch keineswegs die Erfinderin des Brauchtums in dieser Zeit.  Auch hier hat die Kirche ihre Feste über etwas Altes, Bestehendes und im Volksglauben Verwurzeltes drübergelegt und sich zu Eigen gemacht. Die  Menschen ließen sich ihre Liebes- und Fruchtbarkeitsfest im Mai aber nicht nehmen und trafen sich an ihren alten, überlieferten Tanzplätzen – einer der bekanntesten ist der Brocken bzw. Blocksberg in Norddeutschland. Hier hat Johann Wolfgang von Goethe seine 1799 verfasse Ballade „Die erste Walpurgisnacht“ angesiedelt, in der er über „Menschen-Wölf’ und Drachen-Weiber, die im Flug vorüberziehen” fantasiert. (-hier ist der ganze Text nachzulesen: de.wikipedia.org/wiki/Die_erste_Walpurgisnacht ).

Seine Beschreibung ist beeinflusst von den Beschreibungen des Hexensabbats  in der Literatur des 15. und 16. Jahrhunderts und führt auf weitaus ältere Überlieferungen zurück:  In germanischer Kultzeit  war die „Walpurgisnacht“ die Nacht, in der sich die heilige Priesterschaft traf, um ihre Nachfolger zu zeugen. Die Priester trugen dabei Masken und ein Hirschgeweih, um noch stärker mit den Gottheiten zu verschmelzen. Ein für  Zuschauer sicher furchteinflößender und unheimlicher Anblick…. 

 

Um den Menschen ihren „Aberglauben“ auszutreiben und vor allem auch, um die Reste der alten matriarchalen Kultur auszulöschen, prägte die Kirche das Bild der „bösen Hexen“, die Mensch und Vieh Schaden zufügten und angeblich schuld waren an Krankheit, Missernten, Unwettern, Seuchen, Unfruchtbarkeit und anderen Schicksalsschlägen.

Die Menschen sollten Zuflucht bei Gott und im christlichen Glauben finden und sich fürchten – denn Menschen, die Angst haben sind leicht zu lenken. Nachdem von den Kirchenmännern vorgegeben wurde, welches der „richtige Glaube“ wäre und was unter „Aberglaube“ zu fallen hätte, begann eine unbarmherzige und grausame Verfolgung  der Vertreterinnen und Vertreter des alten, magischen Weltbildes, die  als „Hexen und Zauberer*“ diffamiert und ermordet  wurden (*etwa jedes 4.Opfer der Hexenverfolgung war männlich).


Die Sache mit dem Hexenbesen


In der Walpurgisnacht fliegen also die Hexen mit ihrem Besen durch die Lüfte, heißt es.  Der Mythos von auf Besen fliegenden Frauen, die sich zum Tanz mit dem Teufel trafen, zog sich ab dem 14. Jahrhundert durch die Geschichte. Das ist natürlich Unfug, denn damals wie heute haben sich keine Menschfrauen mit einem Stab zwischen den Beinen in den Himmel erhoben!

Dieses Bild, das eine unterdrückte männliche (christliche) Lüsternheit ausdrückt, ist als zutiefst patriarchal und sexistisch abzulehnen.


Barbara Walker schreibt in ihrem Lexikon „Das geheime Wissen der Frauen“ , dass der Ritt auf dem Besenstiel  die sexuelle Stellung bezeichnet, in der die Frau oben auf dem Mann sitzt – etwas, das schon zur Verbannung der biblischen Lilith geführt hat und von der Kirche, die ja die „Missionarsstellung“ propagiert, als Perversion angesehen wurde. Um den Frauen nicht das Recht zugestehen zu müssen, unabhängig und mit ihrem Körper im Reinen zu sein, erklärte man sie einfach für verrückt und vom Teufel besessen.

Allein wegen der Unterstellung, man habe sie auf einem Besen reiten sehen, wurde Frauen tausendfach grausam gefoltert und verbrannt.


Wenn schon nicht als Flugobjekt, so hat der Besen dennoch eine lange Tradition als magisches Werkzeug.

In nordischen Ländern ist es beispielsweise  heute noch üblich, sich bei einem Saunagang mit Birkenzweigen abzustreichen das reinigt den Körper und auch die Aura. An den alten Brauch des „Abkehrens“ erinnert auch noch die Figur des Knecht Ruprecht mit der Rute, dem es ursprünglich nicht darum  ging, „böse“ Kinder zu bestrafen,  sondern sie mit Birkenreisig sanft abzustreichen, damit die negativen Geister des Hungers und der Krankheit sich von ihnen abkehren.


Ein „magischer Akt“ ist auch das Binden des Besens, wobei zwei Komponenten miteinander verbunden werden: dabei steht der  Besenstiel für den Kraftstab (Zauberstab), das Symbol für Feuer und Willenskraft. Das Reisig steht symbolisch für die Luft, also für das Schwert.

Hauptsächlich wird ein Hexenbesen als reinigendes und  schützendes magisches Werkzeug eingesetzt. Mit seiner Hilfe kann das Heim oder ein zeremonieller Platz von negativen Energien, Geistern und alten Emotionen befreit werden. Aber nicht nur Negatives kann hinaus gefegt werden, sondern man fegt auch das Glück ins Haus. Ein Besen vor den Eingang mit dem Stiel nach unten zeigend, zieht Glück und Reichtum an. Außerdem schützt er den Eingang vor negativer Energie. 


Zum Abschluss


Der deutsche Historiker Kai Lehmann ,  Leiter des Schlossmuseums Wilhelmsburg in Schmalkalden, hat bislang rund  125.000 Prozessakten der europäischen Hexenverfolgung  in einer Datenbank gesammelt. Laut ihm taucht die Walpurgisnacht – also das Treffen mit dem Teufel – in jedem Hexenprozess auf, den er bisher ausgewertet hat. „Unter unsäglichen Qualen mussten diese Menschen damals gestehen. Und nun lebt im Harz eine ganze Tourismusindustrie davon und es wird fröhlich um die Feuer getanzt. Bezüglich der Hexenverfolgung fehlt es schlicht an Erinnerungskultur“. Und weiter: „Denn die Mechanismen der Hexenverfolgung, die finden auch heute noch statt. Wir verbrennen zwar nicht mehr, aber eine angsthabende Gesellschaft schreckt auch heute nicht vor Diffamierung und Ausgrenzung zurück.“

 




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