Wenn die Nächte am längsten sind und das Licht kaum die Dunkelheit vertreibt, erzählt man sich im Burgenland und in der Steiermark Geschichten von der Lutzelfrau.
Diese ambivalente Gestalt, auch bekannt als Luzl, Lutscherl, Fersenluzel oder einfach Lutschi, zieht am Luzientag, dem 13. Dezember, durch die Dörfer. Doch wer ist die Lutzelfrau wirklich, und warum spielt sie in den Mythen dieser Region eine so wichtige Rolle?
Luzientag: Zwischen Dunkelheit und Licht
Der 13. Dezember, der Luzientag, war bis zur Einführung des gregorianischen Kalenders 1582 der kürzeste Tag des Jahres. Als solches war er ein bedeutender Wendepunkt im Jahreskreis. In vielen Regionen Europas markierte der Luzientag die Übergangszeit zwischen der tiefsten Dunkelheit des Winters und dem bevorstehenden Frühling. Diese Zeit wurde traditionell von zahlreichen Bräuchen begleitet, die sowohl christliche als auch vorchristliche Wurzeln haben.
Besonders ausgeprägt waren Rituale, die darauf abzielten, böse Einflüsse oder Gefahren abzuwehren und Schutz zu bieten, ebenso wie Zeremonien zur Totenverehrung und Fruchtbarkeitszauber, die an diesem Tag in besonderem Maße zur Geltung kamen. Ein wesentlicher Bestandteil dieser Rituale war der Brauch der Maskierung – ein symbolischer Akt der Gestalt- und Wesensverwandlung. Diese tief verwurzelten Bräuche und ihre mystische Kraft stehen im Mittelpunkt vieler Traditionen rund um den Luzientag und spiegeln eine Zeit der Übergänge und Transformationen wider.
Die Menschen der damaligen Zeit glaubten, dass in der längsten Nacht, Geister, Dämonen und Hexen besondere macht erlangten. Daher hat Luzia einen doppelten Charakter- zum einen ist sie die Lichtbringerin, zum anderen eine Schreckensgestalt.
In der Steiermark und im Burgenland gibt es eine besondere Tradition rund um diesen Tag: die Erscheinung der Lutzelfrau.
Die Lutzelfrau: Wächterin der Ordnung und Mahnerin der Sitte
Die Lutzelfrau wird in den Quellen unter verschiedenen Namen beschrieben: Lutscherl, Luzl, Lutschi und Fersenluzel. In ihrer Erscheinung variiert sie ebenfalls: Manchmal erscheint sie als zottelige, alte Hexe, in anderen Erzählungen ist sie ein junges Mädchen in weißen Leintüchern, mit verhülltem Gesicht. In beiden Fällen erfüllt sie die Funktion einer Mahnerin, die für die Ordnung und die Einhaltung von Traditionen sorgt - so müssen an ihrem Tag zum Beispiel die Spinnräder stillstehen.
Der Heimatforscher Leopold Kretzenbacher beschreibt sie als eine Gestalt, die ambivalent zwischen Schrecken und Licht steht. schreibt: Er schreibt: „In den Ortschaften des Wechselgebiets und im Burgenland erzählte man sich, dass die Lutzelfrau in der Nacht polternd von Haus zu Haus zieht, um zu prüfen, ob die Ordnung im Haushalt gewahrt ist und die Kinder brav gewesen sind.“
Sie tritt häufig als mahnende Schreckfigur auf, deren Ziel es ist, Ordnung und Disziplin zu bewahren. (Leopold Kretzenbacher: Lutzelfrau und Pudelmutter Ein Beitrag zur Sagenkunde des Burgenlandes – Burgenländische Heimatblätter 1951 , S.165)
Das "Lutscherl" und die "Fersenluzel"
In den Sagen und Geschichten watschelt das „ Lutscherl“ auf Gänsefüßen als häßlich dicke Hexe mit zottigem Fell daher und bedroht mit ihren Krallen die Waldgänger, Beeren und Pilzsucher und die Hirten, anscheinend nicht nur im Mittwinter. Es kennzeichnet dieses Mythenwesen, dass stets auf die Fersen seines Opfers losgeht.
In der Oststeiermark wird erzählt, dass sie mit ihren scharfen Krallen ungehorsamen Kindern die Fersen aufschneiden kann: „Ungehorsame Kinder werden am ,Lutschitag’ von der Lutschi / Lutscherl heimgesucht, die denselben von der Ferse ein dreieckiges Stück Fleisch ausschneidet. Man droht den Kindern: ’Es kommt die Lutscherl und schneidet die Fersen aus!’ (Kretzenbacher, s.o.)
Leopold Schmidt berichtet in den „Burgenländischen Heimatblättern“ 1951 von lebhaftem Brauchtum in vielen burgenländischen Gemeinden – hier einige Beispiele:
Kemeten: Die Lucia erscheint am 12. Und 13. Dezember. Ihr Begleiter ist der Steffl. Diese Personen stellen in der Regel jüngere Frauen und ältere Mädchen, aber auch Burschen verkleiden sich gerne als Luzi und Steffl. Kinder schreckt man mit diesen Gestalten ab, indem man ihnen zu wissen gibt, dass ihnen bei schlimmem Benehmen die Ferse aufgeschnitten wird und durch den Steffl Salz in die Wunde gestreut wird.
Wörterberg: am Vorabend des 13. Dezember bekleiden sich einige Mädchen, auch Burschen, in weiße Kleider mit einem Schleier, damit man sie nicht erkenne. Ein „Badel“ (männliche Gestalt) begleitet sie. Die „Luzerln“ versuchen mit hölzernen Messern die Fersen der schlimmen Kinder aufzuschneiden und mit Salz zu bestreuen.
Kirchfidisch, Kohfidisch, und Umgebung: Die Luzi geht am 13. Dezember bei Dunkelheit von Haus zu Haus, schreckt und bestraft schlimme Kinder. Meist sind es halbwüchsige Burschen, die in einer wild aussehenden Bekleidung (Ziegenfelle, Säcke, Masken usw.) einander zu übertreffen suchen(…)
Karte: http://geoportost.ios-regensburg.de/map/BV044759672, abgerufen am 11.12.2024
Die Überlieferungen und Bräuche rund um diese weibliche Mythengestalt, die mit dem mittwinterlichen Seelenkult und dem vorchristlichen Fruchtbarkeitsglauben verbunden ist, zeigen vielfältige Erscheinungsformen. Unter dem Sammelnamen Berchta bekannt, wurde sie vermutlich bereits im Mittelalter durch die christliche Märtyrerin "Lucia" und deren Feier am längsten Wintertag verdrängt und in eine christliche Symbolik eingebunden.
Bei der Lutzelfrau und ihrer "lichten" Begleiterin, der Pudlmutter, handelt es sich um regionale Ausprägungen eines weit verbreiteten Überlieferungsbereichs, der sich um die mittwinterliche Mythengestalt der Frau Bercht rankt, deren Ursprünge zeitlich nicht genau zu datieren sind.
Ich freue mich an dieser Stelle über Berichte, ob dieses Brauchtum immer noch aktiv betreiben wird bzw. es Erinnerungen daran gibt!
Einen Beitrag über die "die Pudlmutter" wird es in Bälde hier von mir geben.
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