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Der Lucientag - 13. Dezember

Autorenbild: Katharina LeitgebKatharina Leitgeb



Wieder ein besonderer Tag im Jahreskreis – der Lucientag am 13. Dezember, der  tiefe Symbolik und vielfältige Traditionen mit sich bringt, die bis heute lebendig sind – oder zumindest ihre Spuren hinterlassen haben.

Bis zur Gregorianischen Kalenderreform im Jahr 1582 wurde Lucia am Mittwintertag, dem dunkelsten Tag des Jahres, gefeiert. Der 13. Dezember spielte als Quartalsbeginn in der Verwaltung, Termin für Verträge und Schulschluss eine wichtige Rolle im Leben der Menschen, so erhielten die Kinder an diesem Tag Geschenke. Im Mittelalter war Lucia die Gabenbringerin, denn erst seit dem 16. Jahrhundert ist der 24. Dezember der Bescherungstag.


Lucia – Die Lichtbringerin und ihre Geschichte


Übersetzt bedeutet ihr Name „die Leuchtende“, und tatsächlich steht Santa Lucia für das Licht, das selbst in tiefster Dunkelheit strahlt. Viele Mythen und Legenden ranken sich um diese Heilige, deren historische Wurzeln nur spärlich belegt sind.


Geboren um 286 n. Chr. in Syrakus auf Sizilien, war Lucia die Tochter eines reichen Kaufmanns. Nach dem Tod ihres Vaters pilgerte sie mit ihrer kranken Mutter zum Grab der heiligen Agathe, wo sie Heilung erflehte. Als die Mutter gesund wurde, entschloss sich Lucia, ihr Leben ganz dem Glauben zu widmen und Jungfrau zu bleiben. Um verfolgten Christen in ihren Verstecken in dunklen Gängen unter der Stadt zu helfen und sie mit Essen und Trinken zu versorgen, brauchte Lucia beide Hände und trug deshalb die Kerzen wie eine leuchtende Krone auf dem Kopf.

Sie schenkte ihren Besitz den Armen und löste ihre Verlobung auf - manche Fassungen der Legende berichten, Lucia habe ihrem Verlobten ihre ausgerissenen Augen geschickt, worauf die Mutter Gottes ihr dafür noch schönere Augen zurückgegeben habe. Lucias zurückgewiesener Bräutigam klagte sie beim Präfekten, dem die Diokletianische Christenverfolgung unterstand, als Christin an.

Der Präfekt wollte sie in ein Bordell bringen lassen, doch nicht einmal ein Ochsengespann und 1000 Männer waren in der Lage, die gefesselte Lucia zu überstellen. Unbeschadet überstand sie auch das Wirken eines Zauberers, das Übergießen mit heißem Öl und die Folter mit Feuer. Schließlich wurde Lucia ein Schwert in die Kehle getrieben, woran sie dann starb.


Lucias Geschichte ist nicht nur von christlichen Legenden geprägt, sondern auch von tiefen, archetypischen Bildern. Sie ist die Lichtbringerin, die den Weg erhellt – sowohl für die verfolgten Christen in den dunklen Katakomben, als auch für uns, die wir in unserer eigenen Dunkelheit Orientierung suchen.


Die vorchristlichen Wurzeln – Lucina, Percht und die Dunkelheit


Doch Lucias Licht hat ältere Wurzeln. Lange bevor sie als christliche Märtyrerin verehrt wurde, gab es die römische Lucina, die Göttin des Gebärens, des Mondes und des Lichtes. Lucina steht für die Geburt, sowohl im wörtlichen als auch im übertragenen Sinn: aus der Dunkelheit des Schoßes ins Licht des Lebens.

Die Wintersonnenwende war in vorchristlichen Kulturen eine heilige Zeit, in der das Licht neu geboren wurde. Diese Feste verbanden Licht und Dunkelheit, Geburt und Tod, ohne sie zu trennen. Göttinnen wie die Percht oder Holle verkörperten diese Ganzheit: Sie waren Hüterinnen der Dunkelheit, aber auch Lichtbringerinnen, die den neuen Zyklus einleiteten.


Der Übergang von den alten Göttinnen zur heiligen Lucia ist fließend. Die strahlende, milde Seite der Göttinnen wurde im Christentum bewahrt und mit Lucia als Märtyrerin neu interpretiert. Doch die dunklen, wilden Aspekte wurden verdrängt oder dämonisiert.

 

Die "Blutige Luz" – Die dunkle Schwester


Der Lucientag hat auch eine düstere Seite. Im bayerischen Raum fürchtete man früher die „schiache Luz“, eine Schreckensgestalt, die durch die Nacht zog, immer auf der Suche nach unartigen Kindern oder faulen Mägden. Diese „blutige Luz“ verkörpert die dunklen Aspekte dieses alten Mittwinterfestes. In einigen Gegenden, vor allem im Dreieck Österreich, Bayern, Böhmen, findet man die heilige Luzia bis vor etwa 200 Jahren auch als Begleiterin des Nikolaus.

Während der Nikolaus die Buben beschenkte, brachte sie den Mädchen die Geschenke. In Österreich kam das weiß gekleidete „Lutscher“ mit Kerze, Kreuz und Kochlöffel in die Häuser. Fand sie dort Schmutz vor, schlug sie mit dem Kochlöffel um sich, war es aber ordentlich, verteilte sie Geschenke.


Diese Gestalt zeigt, wie patriarchale Strukturen die universalen, allumfassenden Göttinnen zerteilten: Lucia als die milde, strahlende Lichtbringerin, während die „schiache Luz“ die wilde, ungezähmte und oft gefürchtete Seite verkörpert. Dieser Bruch spiegelt eine Manipulation weiblicher Identifikationsfiguren wider – die Aufspaltung in die brave, harmlose Frau und die wilde, bedrohliche Hexe.


Eine Göttin, zwei Gesichter


Die „blutige Luz“ und die Lichtgestalt der Lucia scheinen auf den ersten Blick Gegensätze zu sein, doch sie sind untrennbar verbunden. Beide repräsentieren unterschiedliche Wandlungsphasen einer universalen Kraft: Die eine Seite bringt das Licht, die andere akzeptiert die Dunkelheit als Teil des Lebenszyklus.

In den alten Kulturen vereinten Göttinnen wie Lucina Gegensätze wie Licht und Dunkelheit, Geburt und Tod, Milde und Strenge. Doch mit der Zeit wurden sie getrennt, die eine Seite verherrlicht, die andere verdrängt.


Der Lucientag erinnert uns daran, dass wir diese Ganzheit wiederfinden können. Es ist eine Einladung, Licht und Dunkelheit in uns zu ehren und zu feiern.

 

Ritual für den Lucientag – Licht und Dunkelheit ehren


Materialien:

  • Eine weiße und eine schwarze Kerze

  • Eine kleine Schale mit Wasser

  • Etwas Räucherwerk (z. B. Beifuß oder Myrrhe)

Durchführung:

  1. Zünde zuerst die schwarze Kerze an und spüre die Dunkelheit, die sie symbolisiert. Halte inne und ehre die Dunkelheit als Ort der Ruhe, der Reflexion und des Neubeginns. Du kannst laut aussprechen, was du in der Dunkelheit loslassen oder annehmen möchtest.

  2. Nimm das Räucherwerk und lasse den Rauch durch den Raum ziehen. Stelle dir vor, wie er alte Energien klärt und Platz für Neues schafft.

  3. Zünde nun die weiße Kerze an. Lasse ihr Licht die Dunkelheit erhellen und spüre die Wärme und Kraft, die sie bringt. Überlege, was in dir geboren werden möchte, welches Licht in dir wachsen soll.

  4. Tauche deine Finger in die Schale mit Wasser und berühre damit deine Stirn oder dein Herz. Dieses Wasser symbolisiert den Übergang – von Dunkelheit zu Licht, von Altem zu Neuem.

  5. Beende das Ritual, indem du beiden Kerzen dankst – der schwarzen für die Dunkelheit, die das Licht möglich macht, und der weißen für das Licht, das den Weg weist.


Der Lucienweizen als Orakel – Ein Blick in die Zukunft


Der Lucienweizen ist ein traditionelles Ritual, das in katholischen Gemeinden in Österreich, Kroatien, Slowenien und Südfrankreich verbreitet ist. Ursprünglich als Orakel genutzt, ermöglicht es einen Blick in die Zukunft und sagt den Ertrag der kommenden Ernte voraus.

Am 13. Dezember wird der Weizen in einem Teller mit Erde und Wasser ausgesät. In der Mitte des Tellers brennt eine Kerze, deren Licht während der Adventszeit für Hoffnung und Erneuerung steht. Bis Weihnachten wächst der Weizen, und seine Höhe wird als Symbol für die Fruchtbarkeit und den Ertrag des kommenden Jahres gedeutet. Ein üppiges Wachstum galt als gutes Omen für die Ernte, während geringes Wachstum auf eine weniger fruchtbare Zeit hindeutete.

In kroatischen Gemeinden des Burgenlandes sowie in der Wiener Kirche der kroatischen Gemeinde Am Hof wird der Lucienweizen auch heute noch als Dekoration in der Weihnachtszeit verwendet.

 

Ritual für zuhause – Lucienweizen säen

Materialien:

  • Ein flacher Teller oder eine Schale

  • Getreidekörner (z. B. Weizen oder Gerste)

  • Erde (oder Watte) und Wasser

  • Eine kleine Kerze (z. B. Teelicht)

Durchführung:

  1. Vorbereitung des Rituals: Platziere einen flachen Teller oder eine Schale auf einem stabilen Untergrund. Fülle den Teller mit Erde und lege in die Mitte eine kleine Kerze. Diese Kerze symbolisiert das Licht, das mit der Geburt des neuen Lichts im Lucientag beginnt.

  2. Saat des Weizens: Säe die Getreidekörner rund um die Kerze, sodass sie gleichmäßig verteilt sind. Diese Körner stehen für die Wünsche und Hoffnungen, die du in das kommende Jahr setzen möchtest.

  3. Wässern und Beobachten: Gieße etwas Wasser über die Körner, sodass sie feucht bleiben. Achte darauf, den Weizen täglich zu gießen, während er wächst. Beobachte, wie das Licht der Kerze das Wachstum der Samen fördert – genau wie das Licht der Hoffnung dein inneres Wachstum stärkt.

  4. Symbolik des Wachstums: Während der Weizen wächst, kannst du dir Gedanken über das kommende Jahr machen. Ein üppiges Wachstum symbolisiert Fülle und Wohlstand, während ein langsames oder bescheidenes Wachstum eine Einladung zur Geduld und Achtsamkeit ist.

  5. Feier des Wachstums: Bis Weihnachten wächst der Weizen und zeigt dir, wie deine Wünsche und Ziele für das kommende Jahr Gestalt annehmen können. Am Heiligabend kannst du die Kerze erneut anzünden und die Bedeutung des Wachstums und der Erneuerung feiern.


Die Kombination aus Kerzenschein und dem Wachstum des Weizens symbolisiert das Zusammenspiel von Licht und Dunkelheit, von Hoffnung und Erwartung. Der Lucienweizen erinnert uns daran, dass sowohl das Licht als auch die Dunkelheit wichtige Phasen für das Wachstum sind – die Dunkelheit ist notwendig, um den Samen zur Keimung zu bringen, während das Licht das Leben nährt und wachsen lässt.

 

Botschaft für die Weiblichkeit: Die Kraft des Wilden und Dunklen



Der Lucientag erinnert uns nicht nur an das Licht, das in der Dunkelheit geboren wird, sondern auch an die wilde, ungezähmte Kraft, die in uns ruht. Die „schiache Luz“ mag uns zunächst erschrecken – doch sie ist ein Teil von uns. Sie ist die Stimme, die Grenzen setzt, die unerschrocken für sich einsteht und das Alte losreißt, um Raum für Neues zu schaffen.

In einer Welt, die oft nur das Helle, Schöne und Sanfte sehen will, lehrt uns dieser Tag, auch das Wilde, Dunkle und Unangepasste zu ehren. Es ist die Energie, die uns erdet, uns in unsere Instinkte zurückführt und uns zeigt, dass wir keine Perfektion brauchen, um ganz zu sein.

Die dunkle Mutter in uns – sei es in der Gestalt der Percht, der „schiachen Luz“ oder der Holle – erinnert uns daran, dass es in Ordnung ist, manchmal unbequem, laut oder „schiarch“ zu sein. Diese Seiten sind nicht weniger wertvoll als unsere liebevolle, helle und fürsorgliche Seite. Sie alle gehören zu unserer Ganzheit, zu unserer Weiblichkeit.


 

 

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