Taumelnd, torkelnd, trunken vor Lebensfreude, so begegnen mir jetzt gerade in den warmen Abendstunden die fliegenden Hirschkäfer.
Nur wenige Wochen erlebt der rotbraune Riese das Leben im Sonnenlicht. Zuvor hat er bis zu acht(!!!) Jahre im Dunkeln zugebracht, sich vom Streichholzkopf- großen Ei in eine Larve verwandelt und sich mindestens zweimal gehäutet.
Wenn die Larve spürt, dass die Zeit der großen Verwandlung, der Metamorphose, gekommen ist, baut sie sich eine Erdkammer. Dort liegt sie einige Zeit fast bewegungsunfähig, und ergibt sich dem Prozess.
Die Entscheidung zur Verwandlung ist unwiderruflich gefallen. Bis zu 60 Tage kann diese Phase dauern, und auch danach gilt es, noch einen langen Winter starr und geduldig unter der Erde auszuharren.
Erst im darauffolgenden Frühsommer gräbt sich der Käfer in seiner letzten Gestalt nach oben ans Licht.
Ein kurzes Sommerleben lang ist er jetzt bereit, zu fliegen. Bereit, sich hinzugeben an das Leben, dem inneren Ruf folgend. Fliegen, paaren, fortpflanzen. Tun, was zu tun ist, um dem ewigen Kreis zu dienen.
Für mich ist der Hirschkäfer ein Lehrmeister in Geduld, wenn es mir wieder einmal zu langsam geht, wenn ich mich nicht schon wieder häuten will, wenn ich dem Prozess Widerstand entgegen setze weil die Dunkelheit und Starre schon so lange dauern und ich lieber ganz woanders wäre.
Lass es, sagt dann der Hirschkäfer. Vertrau einfach. Der ganze Prozess dient nur dazu, dass du deine endgültige Gestalt erlangst, deine Bestimmung erfüllst.
Deine Verwandlung ist unaufhaltsam. Folge deiner inneren Bewegung, und dir kann nichts geschehen.

Das Leben will sich durch dich leben. Und du wirst fliegen - sei es auch nur einen einzigen Sommer lang.
コメント