Im März 1974 war ich 2 Jahre alt. Ich erinnere mich noch an den Abend, als ich mit hochroten Ohren vollkommen überdreht auf dem Wohnzimmersofa herumsprang. An den besorgten Blick meiner Mutter, als sie feststellte, dass ich Fieber hatte. An das Telefonat mit der Amtsärztin, die schnell da war, und an den Rettungswagen, der mich kurz darauf abholte.
Ich hatte Scharlach. Ich war 2 Jahre alt und musste 3 Wochen lang in Quarantäne. Allein.
Mit 15 fremden Kindern, alle älter als ich, in einem Schlafsaal. Meine Eltern durften mich nicht besuchen kommen. Nur am Sonntag, da standen wir Kinder an den Fenstern im zweiten Stock des Krankenhauses und winkten unseren Verwandten, die unten auf der Wiese standen, durch die Glasscheiben zu.
Ich erinnere mich an die mürrische, gestresste Krankenschwester, die immer vergaß, mir frische Windeln zu geben. An die herzensgute Nonne, auf deren Schoß ich saß und die mich mit Spinat fütterte. An den Lärm der anderen Kinder, an mein Gitterbett aus Metall.
Ob ich geweint habe? Das weiß ich nicht mehr. Wenn wir heute darüber sprechen, wird mein Vater immer noch sehr traurig.
46 Jahre ist das her. Scharlach war eine gefährliche Krankheit, Haushalte, Kindergärten und Schulen mussten desinfiziert werden, Kranke streng isoliert.
Heute ist es unvorstellbar, Kinder so lange ganz allein im Spital zu lassen. Zum Glück. Alle meine 4 Kinder hatten schon Scharlach. Es war kein Drama. Sie blieben zu Hause, nahmen Medizin und Globuli, ruhten sich aus, und waren bald nicht mehr ansteckend und gesund, ohne Folgeschäden. Ich bin sehr dankbar.
Und diese Quarantäne jetzt? Wir sind zusammen. Wir passen auf uns auf. Es geht uns gut. Wir handeln besonnen und verantwortungsbewusst. So sehr ich die sozialen Medien auch manchmal mit Skepsis betrachte – wir sind nicht isoliert, vernetzen uns immer mehr. Das ist schön.
Es geht vorüber. Es ist zu schaffen.Und möglicherweise wird es etwas in uns und der Welt zum Guten verändern..
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