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AutorenbildKatharina Leitgeb

Loslassen?

Die große Buche vor unserem Haus kann es. Ganz ohne Ratgeberlektüre á la „Lass los und lebe“. Sie lässt einfach los. Ohne Anstrengung, ohne Zwang, ohne dabei leiden oder kämpfen zu müssen. Würde sie nicht loslassen, könnte sie sich nicht weiter entwickeln. Krampfhaft an ihren Blättern festzuhalten, wäre ihr Untergang.

Wir jedoch halten fest. An kleinen Bequemlichkeiten, an großen Ansprüchen. An Ideen, wie das Leben auszusehen hat, Ideen, die nicht einmal unsere eigenen sind, sondern in die wir hineingeboren wurden. Wir halten fest an Vorstellungen darüber, wer wir sind, und wie wir die Rollen, die uns zugeschrieben werden, auszufüllen haben. Wir klammern uns an Formen, obwohl sie unserem Inneren schon lange nicht mehr entsprechen. Füttern Systeme, die ohnehin schon aus allen Nähten platzen. Und wenn schon „Loslassen“, dann ganz schick als Detoxwochenende, Karma- Cleaning oder Ausmisten nach Feng Shui.


Nur - bitte nicht zu weit raus aus der Komfortzone! Freiwillig etwas hergeben, auf etwas verzichten, sich den Stress antun, etwas Neues aufbauen zu müssen – puh.

Doch was macht das Leben grade mit uns? Es erinnert uns daran, dass es nichts gibt, woran wir uns festhalten können. Dass es so etwas wie Sicherheit nie geben kann – und das ist sicher. Dass wir schon so oft gegen die Wand gefahren sind, mit unserem Anklammern an Systemen und Strukturen, an Denkweisen und Strategien, und dass es jetzt höchste Zeit für Erneuerung ist.

Die schlechte Nachricht ist: Der Sterbeprozess des Alten ist noch in vollem Gange, mit lautem Getöse und Gerumpel. Und NIEMAND weiß, wie die Zukunft aussehen wird – alles, was wir haben, sind maximal Phantasien von einer erwünschten Zukunft. Wir betreten gerade gemeinsam den Raum des Ungeformten, den Raum des Nicht- Wissens.

Und wir dürfen alles für möglich halten – und es aushalten, dass wir es noch nicht wissen können! Das Leben fordert gerade von uns ein radikales Ablassen von alten Denkgewohnheiten und Gewissheiten.

Und es fordert uns zum Tanz auf mit dem Tod, mit den Schatten, mit der Angst. Und dann werden wir gelernt haben, zu tanzen, und die Tanzpartner werden sich verwandeln, und die Sonne wird wieder scheinen und wir werden keine Angst mehr vor der Angst haben.

Der Buche ist das alles ohnehin egal. Sie tut, was zu tun ist. Gibt sich den Urkräften hin. Und sammelt ihre Kraft im Inneren, im vollen Vertrauen auf den nächsten Frühling.

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