Stell dir vor, du hast einen Sessel. Einen, auf dem du immer sitzt, beim Essen, beim Fernsehen, beim Arbeiten, beim Lesen. Du bist ihn gewohnt, er ist im Lauf der Jahre zu deiner bevorzugten Sitzgelegenheit geworden, deine Körperkonturen haben sich regelrecht seiner Form angepasst. Du würdest ihn niemals hergeben, auch, wenn der Bezug schon zerschlissen ist und die Farbe absplittert. Schließlich ist es DEIN Sessel, er gehört zu dir, mit ihm sind viele Erinnerungen und Erfahrungen verknüpft- vielleicht ist es ja sogar ein Erbstück, sind schon Generationen davor drin gesessen? Doch eines Tages passiert das Unvermeidliche: der Sessel bricht zusammen.
Du bist verstört, aus der Bahn geworfen. Wo sollst du jetzt sitzen? Sollst du jetzt auf ewig beim Essen stehen müssen? Wie soll es jetzt weitergehen? Du bist beunruhigt, beklagst dein Schicksal, betrauerst den Verlust. Hast keinen Plan, wie es jetzt weitergehen soll.
Jetzt hast du zwei Möglichkeiten: Du kannst die Einzelteile des alten Sessels nehmen und versuchen, ihn so schnell wie möglich wieder herzustellen. Ihn zu leimen, zusammenzuschrauben, mit Klebeband zu umwickeln…er wird wahrscheinlich nicht mehr so sicher sein, wackelig, keine Augenweide. Aber es wird immer noch dein alter, gewohnter Sessel sein, den du kennst und der dir vertraut ist wie eine zweite Haut. Bestimmt allerdings wird er instabil bleiben und bald wieder reparaturbedürftig sein.
Oder aber…du nimmst die zerfallenen Einzelteile in die Hand. Du überprüfst sie. Dir wird plötzlich bewusst, dass der alte Sessel eigentlich gar nicht mehr so bequem war, dass du in letzter Zeit immer öfter Rückenschmerzen hattest, dass er einen muffigen Eigengeruch entwickelt hat. Du denkst nach. Du spürst in dich hinein. Könnte es vielleicht eine andere, bessere Variante geben? Gut, du müsstest dafür das Gewohnte aufgeben, mit Traditionen brechen, etwas ausprobieren. Kreativ werden. Schauen, was von den alten Teilen noch brauchbar ist und was entsorgt gehört. Riskieren, auch mal falsch zu liegen (beziehungsweise zu sitzen). Sehr wahrscheinlich hast du auch nicht gleich eine Lösung parat, vielleicht musst du tatsächlich eine Zeitlang noch am Boden sitzen, bis du einen Plan hast.
Aber es könnte doch einen Versuch wert sein. Vielleicht entsteht ja etwas Neues daraus, was besser zu dir passt. Was auch für die Zukunft Sinn macht.
Zwei Möglichkeiten. Wofür entscheidest du dich? Und wofür entscheidet sich JETZT unsere Gesellschaft?
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